#VoneinanderLernen
Unter dem Motto #VoneinanderLernen konnten sich bei der ersten virtuellen NPO Frauennetzwerk Veranstaltung zum Thema „Die Coronakrise: Herausforderungen und kreative Lösungen“ mehr als 60 Frauen aus ganz Österreich austauschen und von Best-Practice Beispielen Inspiration für die eigene Praxis holen. Vorgestellt wurden Lösungsansätze unterschiedlicher Organisationen, u.a. Amnesty International Österreich, LEFÖ-Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels, Diakonie und Sozialwirtschaft Steiermark. Die Veranstaltung war barrierefrei organisiert und auf Wunsch standen zwei Gebärdesprachen-Dolmetscherinnen zur Verfügung.
Wir müssen unsere Rechte kennen und einfordern können
Thematisiert wurde im ersten Beitrag die Bedeutung der Menschenrechte in einer Zeit der Krise, denn wir alle spüren Menschenrechte ganz persönlich und unmittelbar. Neben dem Schutz von Leben und Gesundheit darf auch während einer Pandemie und den notwendigen Konsequenzen nicht auf andere Menschenrechte vergessen werden, zB. auf den Zugang zu Bildung oder das Recht auf Versammlung. „Es ist besonders während Ausnahmezuständen wichtig, Menschenrechte wieder mehr ins Bewusstsein zu rücken, weil diese einen Kompass bieten. Wir müssen unsere Rechte kennen und einfordern können“, meint Anne Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich. Aus ihrer Sicht war es wichtig, kritisch zu bleiben, sich auszutauschen und andere Perspektiven zu hören. Um die getroffenen Maßnahmen zum Coronavirus genau zu analysieren, wurde der Newsblog: Corona-Virus und Menschenrechte ins Leben gerufen. Als positiv bewiesen hat sich in ihrer Organisation das Modell >Führung in Teilzeit<, denn damit war Arbeit und Familie leichter vereinbar. Einerseits konnte so in der Familie Struktur ermöglicht werden und gleichzeitig sichergestellt werden, dass Spendeneinnahmen fließen und keine Mitarbeiter/innen in Kurzarbeit geschickt werden mussten.
Frauenrechte waren in der Zeit des Lockdown umso mehr ein Thema für die Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels bei LEFÖ, denn die Unsichtbarkeit von Menschenhandel und Ausbeutung wurde dadurch sichtbar gemacht, erzählte Isabella Chen. Viele Klientinnen, die vor allem in der Gastronomie, im Tourismus oder in der Reinigung arbeiteten, haben in dieser Zeit ihre Jobs verloren. Sie waren davor auf einem guten Weg in die Selbständigkeit gewesen. Auch vulnerable Personen, wie beispielsweise Pflegerinnen und Erntehelferinnen, brauchten mehr Schutz, um nicht ausgebeutet zu werden, da Unsicherheiten und Abhängigkeiten größer geworden sind. Wichtig war für alle Klientinnen Unterstützung zur informierten Entscheidungsfindung und Empowerment. Einerseits wurde schnell auf telefonische Beratung umgestellt, aber beibehalten wurde die persönliche Beratung bei Frauen, die neu ankamen oder Frauen, die gerade eine persönliche Krise durchliefen. Auf Facebook wird übrigens immer wieder nach Sachspenden gefragt, also gerne liken!
Um das Thema Rechte von Menschen mit Behinderungen ging es in den Beiträgen von Karin Ondas von der Sozialwirtschaft Steiermark und Gabriele Sprengseis vom Österreichischen Behindertenrat. Auch hier wurde sichtbar, wie wenig Menschen mit Behinderungen und ihre Bedürfnisse wahrgenommen werden. Um nur das Beispiel Corona-App zu nennen: in der Entwicklungsphase wurde auf Barrierefreiheit keine Rücksicht genommen und erst durch Lobbyarbeit darauf aufmerksam gemacht.
Als Generalsekräterin eines Dachverbandes mit 48 Mitgliedsorganisationen wurden an Karin Ondas viele Fragen herangetragen, denn auf vielen Ebenen herrschte Ratlosigkeit. Daraufhin wurde ein 6-Schritte Maßnahmenplan entwickelt, der darauf abzielte, die Arbeitsgrundlage in allen Organisation durch Bündelung und Umverteilung von Ressourcen sicherzustellen und damit den Schutz des Hilfesystems und den Schutz der Kund/innen vor Ansteckungen zu garantieren. Wichtig war neben Informationstransfer vor allem der Dialog. „Im Frieden wird die Basis gelegt für gelingende Kooperation in der Krise. Dafür ist es wichtig, Momente der Begegnung zu schaffen, um in Ruhe miteinander zu reden“, sagte Karin. Dazu gehört auch Danke sagen, Lob aussprechen und sich im Falle auch mal zu entschuldigen.
Für den Österreichischen Behindertenrat war das Kompetenzteam Frauen mit Behinderungen ein wichtiges Gremium. Eine Herausforderung war der Umgang mit der Informationsfülle. Entscheidungen mussten rasch getroffen werden und damit auch abgewogen werden: was ist jetzt wirklich wichtig? Was kann verschoben werden?
„Man muss Chancen ergreifen, moderne Tools nutzen. Wir hatten eine starke Öffentlichkeitsarbeit und eine gute Zusammenarbeit mit den Behindertensprechern der einzelnen Parteien“, erzählte Gabriele Sprengseis.
Sie machte auch darauf aufmerksam, dass der Krisenstab der Regierung sehr männlich besetzt war und es für die Vorbildwirkung wichtig gewesen wäre, mehr Frauen auch in den Pressekonferenzen zu sehen. Aus diesem Grund läuft daher vom Frauennetzwerk Medien die „Mehr als 20 Frauen mit Expertise zur Corona-Krise“ Initiative, um Expert/innen sichtbarer zu machen, wie eine Teilnehmerin erzählte.
Nicht zuletzt stand auch das Thema Fundraising am Programm. Corinna Dietrich, Leiterin der Unternehmenskooperationen bei der Diakonie, konnte von großem Erfolg sprechen, denn mit vereinten Kräften, Charme und Humor lukrierte ihr Team Gelder, um Nothilfepakete für armutsbetroffene Familien oder auch mehrsprachige Sozialberatung zu finanzieren. Dabei wurde viel Zeit in die Recherche und Analyse der Unternehmen und Kommunikation mit ihnen investiert. Die Mühe hat sich gelohnt!
Anschließend an die Diskussion wurde auch in Break-Out Sessions darüber gesprochen, welche Schritte in Anknüpfung an die Veranstaltung gesetzt werden können. Der Wunsch nach weiteren Online-Veranstaltungen wurde laut, da es damit auch für Frauen aus ganz Österreich möglich ist, teilzunehmen. Auch die Idee, regionale Untergruppen oder ein Mentoring–Programm zu schaffen, war dabei.